Kôshônin / Negotiator
Achtung Kritik enthält leichte Spoiler. Gesonderter Hinweis an der Stelle, an welcher die Spoiler einsetzen.
2003 / 2004 hatte Miike eine kurze Mainstream-Phase. Gleich drei Filme hintereinander entstanden in jener Zeit. Diese werden von vielen Fans nicht so ernst genommen, weil sie die Werke als bloße Auftragsarbeiten ohne Miike-Stil bezeichnen. Am bekanntesten daraus ist The call, der es sogar in Deutschland im Rahmen des großen J-Horror-Hypes zu einer Kinoauswertung brachte. Auch die amüsante und schräge Superhelden-Parodie Zebraman, bei welcher der oft gemachte Mainstream-Vorwurf völlig verfehlt ist, dürfte vielen ein Begriff sein. Kaum jemand kennt allerdings den TV-Film „Kôshônin“, internationaler Titel: „Negotiator“, eine eindeutige Auftragsarbeit fürs japanische Fernsehen, die trotzdem, vor allem Dank des Drehbuchs und überzeugender Darsteller zu gefallen weiß.
Ein neuer Job für den Verhandlungsspezialisten Ishida (Hiroshi Mikami): Drei mit Motorradhelmen maskierte Gangster haben erst einen kleinen Laden überfallen und sich nun mit rund vierzig Geiseln in einem Krankenhaus verschanzt. Zur Überraschung seiner Vorgesetzten fordert er eine Kollegin zur Unterstützung an. Maiko Tono (Mayu Tsuruta), eine ehemalige Schülerin von Ishida, ist mittlerweile eigentlich nicht mehr im Außendienst tätig, denn sie wurde ins Archiv verbannt. Auslöser war eine Liebesbeziehung mit Ishida und eine daraus resultierende Abtreibung. Ishida will sie als Unterstützung, damit sie seine Arbeit überprüfen kann, denn er befürchtet nicht objektiv sein zu können. Denn unter den Geiseln ist seine Ehefrau (Kumi Nakamura).
Klar „Negotiator“ mutet erst einmal, wie ein simpler Geiselnahme-Thriller an, doch er ist trotzdem von Anfang an spannend. Der Zuschauer wird sofort in medias res geworfen, ohne lange Vorgeschichte nimmt das Geschehen seinen Lauf. Die Geiselnehmer bleiben dabei gesichtslos, der Fokus liegt klar auf der Arbeit der beiden Verhandlungsführer und deren gemeinsamer Vorgeschichte, die einem in wohl dosiert gesetzten Rückblenden, immer genauer offenbart wird. Miikes Verdienst ist bis dahin, dass die Inszenierung nicht unerheblichen Anteil an der gelungenen Spannungskurve hat. „Negotiator“ ist mit digitaler Handkamera gedreht, was neben Kostenersparnis auch einen positiven inszenatorischen Effekt mit sich bringt. Der Zuschauer wird stärker in das Treiben involviert, im richtigen Moment aber wieder davon distanziert. Im einen Moment ist die Kamera, und damit auch noch der Zuschauer, mitten unter den Polizisten, im nächsten Moment, ist er ein ferner Beobachter, fast ein Voyeur, der minutenlang hinter einer Stange ausharrt, während in der Entfernung die Polizisten das weitere Vorgehen beraten. Hauptgrund für die Klasse dieses überdurchschnittlichen TV-Film ist neben den durch die Bank überzeugenden Darstellern, aber das auf einem Roman basierende Drehbuch.
Achtung, ab hier lassen sich leichte Spoiler nicht mehr vermeiden. Ich habe versucht sie so gering wie möglich zu halten, wer aber einen völlig unverfänglichen Blick auf das Geschehen werfen will, sollte das Lesen vielleicht stoppen.
„Negotiator“ ist nämlich viel mehr als einfach nur ein spannender Geiselnehmerthriller. Wie zum Beispiel auch bei Spike Lees „Inside Man“ steht deutlich mehr hinter dem Coup der Gangster, als man anfangs vermuten will. Nach und nach tauchen Widersprüche auf, gegen Ende schlägt der Film einige Haken, um dann den Zuschauer mit Wendungen zu überraschen. Besonders positiv wirkt sich hier aus, dass unvermittelt ein Dramaplot aufgebaut wird, der den bis dahin straighten Film an Vielfältigkeit gewinnen lässt. Wie so viele ähnlich gelagerte Filme kann der Skeptiker natürlich den Plot wieder hinterfragen und anmerken, dass König Zufall eine zu große Rolle im Masterplan spielen könnte. Das ist hier aber deutlich weniger angebracht als beim erwähnten artverwandten „Inside Man“. Denn die Geschichte ist weitestgehend rund, vor allem aber extrem fesselnd ohne solche Gedankengänge. Sie ist durchaus plausibel. Das gegen Ende des Films verstärkt auf den Blickwinkel eines misstrauischen Polizisten (Shirô Sano) gesetzt wird, unterstützt das gute Gesamtbild.
Sicher „Negotiator“ ist nur eine Auftragsarbeit, es ist ein TV-Film und er ist nicht exzessiv, aber gerade das sind keine negativen Faktoren, sondern sollten Positive für einen Miike-Fan sein. Denn Takashi Miike beweist hier, dass er auch solche Filme nicht nur locker herunterdrehen kann, sondern so stimmig inszeniert, dass sie die meisten anderen TV-Thriller und sogar einen Großteil der Kinothriller locker in die Tasche stecken. Ein fesselnder Film, dem man fast nur sein ein wenig zu lang gezogenes Ende vorwerfen kann.
P.S.: Meine, dass ich Miike in einem kurzem Hitchcock-liken Cameo am Ende des Films entdeckt habe. Muss ich noch mal (eventuell unter Hilfe des Audiokommentars (!!) der US-DVD gegenchecken).
P.P.S.: Nicht zu verwechseln mit Kôshônin Mashita Masayoshi, der den gleichen englischen Titel („Negotiator“) hat, aber ein ganz anderer Film ist. Aber auch gut, interessante Mischung aus Partyfilm und Thriller, zudem mit Susumu Terajima.
2003 / 2004 hatte Miike eine kurze Mainstream-Phase. Gleich drei Filme hintereinander entstanden in jener Zeit. Diese werden von vielen Fans nicht so ernst genommen, weil sie die Werke als bloße Auftragsarbeiten ohne Miike-Stil bezeichnen. Am bekanntesten daraus ist The call, der es sogar in Deutschland im Rahmen des großen J-Horror-Hypes zu einer Kinoauswertung brachte. Auch die amüsante und schräge Superhelden-Parodie Zebraman, bei welcher der oft gemachte Mainstream-Vorwurf völlig verfehlt ist, dürfte vielen ein Begriff sein. Kaum jemand kennt allerdings den TV-Film „Kôshônin“, internationaler Titel: „Negotiator“, eine eindeutige Auftragsarbeit fürs japanische Fernsehen, die trotzdem, vor allem Dank des Drehbuchs und überzeugender Darsteller zu gefallen weiß.
Ein neuer Job für den Verhandlungsspezialisten Ishida (Hiroshi Mikami): Drei mit Motorradhelmen maskierte Gangster haben erst einen kleinen Laden überfallen und sich nun mit rund vierzig Geiseln in einem Krankenhaus verschanzt. Zur Überraschung seiner Vorgesetzten fordert er eine Kollegin zur Unterstützung an. Maiko Tono (Mayu Tsuruta), eine ehemalige Schülerin von Ishida, ist mittlerweile eigentlich nicht mehr im Außendienst tätig, denn sie wurde ins Archiv verbannt. Auslöser war eine Liebesbeziehung mit Ishida und eine daraus resultierende Abtreibung. Ishida will sie als Unterstützung, damit sie seine Arbeit überprüfen kann, denn er befürchtet nicht objektiv sein zu können. Denn unter den Geiseln ist seine Ehefrau (Kumi Nakamura).
Klar „Negotiator“ mutet erst einmal, wie ein simpler Geiselnahme-Thriller an, doch er ist trotzdem von Anfang an spannend. Der Zuschauer wird sofort in medias res geworfen, ohne lange Vorgeschichte nimmt das Geschehen seinen Lauf. Die Geiselnehmer bleiben dabei gesichtslos, der Fokus liegt klar auf der Arbeit der beiden Verhandlungsführer und deren gemeinsamer Vorgeschichte, die einem in wohl dosiert gesetzten Rückblenden, immer genauer offenbart wird. Miikes Verdienst ist bis dahin, dass die Inszenierung nicht unerheblichen Anteil an der gelungenen Spannungskurve hat. „Negotiator“ ist mit digitaler Handkamera gedreht, was neben Kostenersparnis auch einen positiven inszenatorischen Effekt mit sich bringt. Der Zuschauer wird stärker in das Treiben involviert, im richtigen Moment aber wieder davon distanziert. Im einen Moment ist die Kamera, und damit auch noch der Zuschauer, mitten unter den Polizisten, im nächsten Moment, ist er ein ferner Beobachter, fast ein Voyeur, der minutenlang hinter einer Stange ausharrt, während in der Entfernung die Polizisten das weitere Vorgehen beraten. Hauptgrund für die Klasse dieses überdurchschnittlichen TV-Film ist neben den durch die Bank überzeugenden Darstellern, aber das auf einem Roman basierende Drehbuch.
Achtung, ab hier lassen sich leichte Spoiler nicht mehr vermeiden. Ich habe versucht sie so gering wie möglich zu halten, wer aber einen völlig unverfänglichen Blick auf das Geschehen werfen will, sollte das Lesen vielleicht stoppen.
„Negotiator“ ist nämlich viel mehr als einfach nur ein spannender Geiselnehmerthriller. Wie zum Beispiel auch bei Spike Lees „Inside Man“ steht deutlich mehr hinter dem Coup der Gangster, als man anfangs vermuten will. Nach und nach tauchen Widersprüche auf, gegen Ende schlägt der Film einige Haken, um dann den Zuschauer mit Wendungen zu überraschen. Besonders positiv wirkt sich hier aus, dass unvermittelt ein Dramaplot aufgebaut wird, der den bis dahin straighten Film an Vielfältigkeit gewinnen lässt. Wie so viele ähnlich gelagerte Filme kann der Skeptiker natürlich den Plot wieder hinterfragen und anmerken, dass König Zufall eine zu große Rolle im Masterplan spielen könnte. Das ist hier aber deutlich weniger angebracht als beim erwähnten artverwandten „Inside Man“. Denn die Geschichte ist weitestgehend rund, vor allem aber extrem fesselnd ohne solche Gedankengänge. Sie ist durchaus plausibel. Das gegen Ende des Films verstärkt auf den Blickwinkel eines misstrauischen Polizisten (Shirô Sano) gesetzt wird, unterstützt das gute Gesamtbild.
Sicher „Negotiator“ ist nur eine Auftragsarbeit, es ist ein TV-Film und er ist nicht exzessiv, aber gerade das sind keine negativen Faktoren, sondern sollten Positive für einen Miike-Fan sein. Denn Takashi Miike beweist hier, dass er auch solche Filme nicht nur locker herunterdrehen kann, sondern so stimmig inszeniert, dass sie die meisten anderen TV-Thriller und sogar einen Großteil der Kinothriller locker in die Tasche stecken. Ein fesselnder Film, dem man fast nur sein ein wenig zu lang gezogenes Ende vorwerfen kann.
P.S.: Meine, dass ich Miike in einem kurzem Hitchcock-liken Cameo am Ende des Films entdeckt habe. Muss ich noch mal (eventuell unter Hilfe des Audiokommentars (!!) der US-DVD gegenchecken).
P.P.S.: Nicht zu verwechseln mit Kôshônin Mashita Masayoshi, der den gleichen englischen Titel („Negotiator“) hat, aber ein ganz anderer Film ist. Aber auch gut, interessante Mischung aus Partyfilm und Thriller, zudem mit Susumu Terajima.
Kazushi - 15. Jan, 15:48